Entwicklung einer Architekturauffassung
Die Reise beginnt mit der Erzählung vom ökologischen, solaren, nachhaltigen, autarken Leben eingebunden in die Natur Drop-City (Peter Rabbit -viell. RBF) und Ein gutes Leben leben (Helen und Scott Nearing), und den earthship communities (Michael Reynolds)).
So etwas sollte meiner festen Überzeugung nach für alle möglich sein! Ein gutes Leben für Jede und Jeden. Bezahlbar, ökologisch, nachhaltig, autark. Demokratisches Bauen und Wohnen! (Überlegungen die letztendlich zum „sun-box Konzept“, „Prinzip sun-box“, „sun-box Häuser für das 21.Jahrhundert“, „sun-box – Mit einem Haus die Welt retten?“, Businessplan und Wettbewerb usw. führte).
Der menschliche Maßstab erdet die Proportionen.

Die Frage des menschlichen Maßstabs hat LC bereits umfassend in 2 Büchern beantwortet mit seinem Modulor. Gewissermaßen war er der erste der sich diese Frage überhaupt stellte. Besucher fühlen sofort die besondere Atmosphäre beim Eintritt in seiner Häuser und Wohnungen. Nicht monumental, überwältigend, brutal sondern umarmend, angenehm, intim aber dennoch offen, Naturräume schaffend, die Umwelt einbeziehend, Horizonte eröffnend. Seine 5 Punkte zu einer neuen Architektur verbunden mit dem Modulor bedingen verführerische, verlockende Atmosphäre in seinen „Wohneinheiten“ (unité d‘habitation).
Die Funktionalität ordnet die Ideen.
Die Metapher von der Wohnmaschine wurde von LC geprägt, und beschreibt ziemlich gut die funktionale Ordnung die einem ganzheitlichen Entwurf inherent sein sollte.
Auch wenn LC damit provozieren wollte und den „bürgerlichen Begriff des Zuhauses“ in Frage stellte, ist die „Maschine zum Wohnen“ (machine à habiter) wohl so zu verstehen: „Häuser, in denen sich die menschliche Funktion des Wohnens ebenso ökonomisch, zweckmässig, energiesparend, reibungslos, natürlich abwickelt, wie in der Dampflokomotive die technische Funktion der Umsetzung von Wärme in Zugkraft.“ [1] oder wie Le Corbusier selbst sagt: „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen. Bäder, Sonne, warmes und kaltes Wasser, Temperatur nach belieben. Aufbewahrung der Speisen, Hygiene, Schönheit durch Proportion.“ [2]
Auch wenn sich Experten die Frage stellen ob das denn so gemeint wäre: Ich selbst habe diese Metapher immer als Aufforderung verstanden Funktionalität als ordnenden Faktor meiner Entwurfsideen einzusetzen und dabei die Ideen und Möglichkeiten der Bewohner zu kuratieren. Wobei ich, „äusserste Raumökonomie“ als Teil der Funktionalitäten begreife und nicht umgekehrt, wie Dieter Schnell das vorträgt [3].
Auf der Suche nach dem „wahren Wohn-Luxus“
Der „wahre Wohn-Luxus“ steckt nicht in der Ausstattung mit goldenen Wasserhähnen und Marmorböden. Das steht fest.
Wahren Luxus können Bewohnerinnen und Bewohner in frei fliessenden Raumvolumen mit vielfältiger Naturankopplung und Sichtachsen finden. In Aus- und Durchblicken. In offenen Räumen in die Sonnenstrahlen noch in die hintersten Winkel wärmend und erhellend eindringen. In Proportionen die den menschlichen Maßstab bewahren. In großzügigen Grundrissen die sich je nach Laune und Bedarf flexibel zonieren lassen.
Dabei können sich für unterschiedliche Lifestyles durchaus verschiedene Planungsschwerpunkte ergeben:
reduziert: minimalistisch, funktional leben auf kleiner Fläche, einzeln oder in größeren Konglomeraten, sun-spaces und Natureinbindung durch Ausblick, Nutzungsänderung durch flexible, veränderbare Raummöbel, Gemeinschaftszonen (Henry David Thoreau – Walden, Le Corbusier – Cabanon, Villa „Le Lac“, Unité d‘habitation, Harald Brosi – SolarUrbanLiving „nachhaltiges, energieautarkes Leben in der Stadt ist möglich“, überschneidet mit mobil (siehe How to Play), Solardecathlon 2012, Madrid – Studierende der RWTH Aachen: Counter Entropy House)

repräsentativ: komfortabel leben in frei fliessenden Grundrissen und Volumen mit vielfältigem Umwelt/Naturbezug/Sichtachsen, großzügige Grundrisse zonierbar, „Zwischenräume“ vermitteln zwischen innen und aussen, Gebäude vom Baugrund „elevated“ und trotzdem in die Natur eingebettet, Dachgärten (Mies van der Rohe – Haus Farnsworth, Le Corbusier – Villa Savoye, Casa Malaparte, Eileen Gray – E1027, Ray und Charles Eames – case study house 8, Albert Frey – Aluminaire, Harald Brosi – sun-box und Zero Land Use, casas bioclimaticas – la vela)

mobil: naturnah leben in transportablen, autarken Modulen mit minimalen Umwelteingriff und minimalem ökologischen Fußabdruck, Umweltbezug durch sehr direkte Einbindung mit sun-spaces als „Sonnen-Aquarien“ und transluzenten Fassaden (Harald Brosi – Le Cabanon „Licht statt Volumen“ (siehe How to Play), district hive podtel, MO.CA iaac, Yona Friedmann Ville Spatiale überschneidet mit reduziert:SUL).

Foto-Quelle https://www.wallpaper.com/architecture/mobile-catalyst-mobile-home-iaac-spain, 29.11.25, Foto-Urheber Adrià Goula
Die Erkenntnis
Der gewünschte Lifestyle der Bewohnerinnen und Bewohner und ihr Budget bestimmt das architektonische Konzept und das Raumprogramm – oft ist es aber auch umgekehrt und die Architektur bestimmt erst den Lifestyle! Der Architekt kann also zum Initiator eines guten, angenehmen Lebens avancieren. Die gemachte Erfahrung, das „Feeling“, zeigt die wahre Qualität unserer Entwürfe.
Eric Reinholdt, Architekt aus Maine und Internetentrepreneur: Architecture and interior design aren’t just about place—they’re about experience. Not just what a space looks like, but what it feels like to live in. To arrive. To move through. To rest after a long travel day. To bring a place into focus.
Aus meiner Reise zu einer Architekturauffassung haben sich 10 Punkte herauskristallisiert die ich frei nach Dieter Rams als 10 Gebote für eine gute Architektur zur Diskussion stelle.
10 Commandments for good architecture
1.Plane Freiheit für die Menschen
offene, fliessende, flexibel zonierbare Wohnzonen, dem Raum den freien Fluss erlauben
2.Mehr Licht, Luft und Sonne
Öffnung zur Sonne, Behaglichkeit, Ausrichtung der Funktionen nach der Sonne, große Öffnungen nach Süden, natürliche Querlüftung Nord/Süd, den Licht- und Sonneneinfall maximieren
3. Löse den Übergang zwischen Innen und Außen auf
Sichtachsen, Übergangszonen, sunspaces, respektvolles Einbinden der Gebäude in das Baugelände, großflächige Schiebefenstertüren, transluzente Fassaden, Veranden als „Zwischenräume“, beflanzte Dachterassen, freier Ausblick in die Natur
4.Verbinde Wohnen und Arbeiten
Homeoffice wird bleiben, adaptierbare Raumkonditionierung je nach Tageszeit und Nutzung, flexible Raummöbel
5.Biete Rückzug und Privatsphäre
multifunktionale bewegliche Möbel, textile Klimazonen
6.Konstruiere ehrlich
Achte das Detail!, einfache, sparsame Tragstrukturen sind erfühlbar, sichtbare Installationen (Lüftungs-Rohre, Leitungen) als Gestaltungselement, Ausbaustandard veredelter Rohbau, einfacher feststehender Sonnenschutz (brise soleil), meide den „Blob“ – spektakuläre Architektur um des Auftritts willen ohne funktionale Begründung
7.Plane mit Modul und Raster
klare Grundriss-Strukturen, einfache Volumen, der Modulor bewahrt den menschlichen Maßstab, serielles, industrielles Bauen, Modulbauweise
8.Keep tech simple
massive Speichermassen und solare Lowtech-Systeme sind zuverlässiger, ökologischer, nachhaltiger, günstiger, einfache Regelung im Naturumlauf, adaptive Architektur (Werner Sobeck) neue Baumethoden nutzen wenn sie den Bauprozess vereinfachen und den CO2 Ausstoß reduzieren
9. Natur ist Vorbild
der menschliche Maßstab bestimmt das Gebäude
Bionik: Leichtbaukonstrukte nach Naturvorbild
Nutze Resourcen nachhaltig so wie es auch die Natur vormacht:
-Leichtbau mit Holz, nachwachsende Rohstoffe: Schafwolle, Rohrkolben, Stroh, Holzfasern
-lokale Materialien: Urban Mining, Recycling, Reuse, Wabi-Sabi, Upcycling, Zellulosedämmung
-Bestand erneuern, reparieren statt Neubau
Häuser zwischen Bäumen im Dialog mit der Natur: belaubte Bäume und Hecken als sommerlicher Sonnenschutz, Windschutz, Schutz vor kalten Abwinden)
10.Zweckvolles muß auch schön sein
Form follows function: Schönheit ist eine der Funktionen! Nach Oscar Niemeyer „Wo steht denn geschrieben dass nützliche Architektur hässlich sein muß?“ und LC „Schönheit durch Proportion“ [2].
[1] entnommen aus Bauforschungonline.ch 29.11.25 „Le Corbusiers Wohnmaschine“ Dieter Schnell mit Zitaten von Peter Meyer, Moderne Architektur und Tradition, Zürich 1927 (2. Auflage 1928), S. 46. und Georg Schmidt, Wie sollen wir wohnen? National-Zeitung, 17. 02 1928
[2] Le Corbusier „Vers une architecture“ Kommende Baukunst, Stuttgart 1926, S. 75
[3] Dieter Schnell (siehe auch [1] ) „Allein schon diese Feststellung macht deutlich, dass die Interpretation der Avantgardisten, die den Begriff einzig als Metapher für die Funktionalität der neuen Gebäude verstehen wollten, nicht haltbar ist..……[und konträr dazu] Die Eigenschaften einer „Wohnmaschine“ [dargelegt von LC in „Ein kleines Haus“] erscheinen hier mit äusserster Raumökonomie gleichgesetzt. Funktionalität ist nicht das Ziel, sondern das Mittel, um die Raumökonomie auf die Spitze treiben zu können. Der Raumökonomie gelten die Anstrengungen und auch der Stolz des Architekten.“
[4] Le Corbusier, „Ein kleines Haus“, Birkhäuser Verlag, Basel, Neuausgabe 2020 (Originalausgabe 1954 Sic!)
[5] wirklich überrascht und beeindruckt haben mich die erstaunlichen Analogien die Dieter Schnell [1] in seiner wissenschaftlichen Betrachtung macht:
„Wie Le Corbusier selber es in „Vers une architecture“ vormachte, ist die Wohnmaschine am ehesten mit der Personenkabine eines Fahrzeugs vergleichbar. Was bringt diese Feststellung nun aber für die Betrachtung und Interpretation der Werke von Le Corbusier? Mindestens drei für sein architektonisches Werk zentrale Motive stehen nicht mehr vereinzelt nebeneinander, sondern erscheinen als gleichgerichtete Verdeutlichungen des Wohnmaschinen-Charakters:
- Das Abheben der Gebäudekörper mit Hilfe von Pilotis: Dieses Motiv betont sowohl das abgeschlossen-kapselartige des Gebäudes als auch seine „Ortsunabhängigkeit“.
- Die Verselbständigung des Treppenhauses zu einen autonomen Baukörper : Wie beim Flugzeug die Aussteigetreppe oder beim Dampfer der Landesteg, ist die Erschliessung nicht Teil der „Wohnmaschine“, sondern nur an diese heran geschoben.
- Der oft mit Betonplanken gefasste oder gar mit „befensterten“ Mauern umschlossene Dachgarten: Selbst auf diesem Dachgarten verlässt der Bewohner die „Wohnmaschine“ nicht. Hier soll er sich nicht in der freien Natur fühlen, sondern vielmehr wie der Passagier auf Deck eines Schiffes oder der Fahrer eines Kabrioletts in der nach oben offenen Kabine.“
Darüber gibt es einiges nachzudenken, insbesondere wieviel von LCs Entwurfsidee in den Entwurf der „Original sun-box“ eingeflossen ist (äussere Treppen angedockt, abheben des Gebäudekörpers vom Gelände =abgeschlossen-kapselartig, Veranda (=Dachterrasse) als umschlossener Teil der Wohnmaschine und damit Distinguierung von der umliegenden wilden Natur).